Der neue EB mit Heimvorteil

Herr Ahrnt, sind Sie gut gelandet?

Ja, ganz prima! Anzukommen war leicht - das hat mit meiner Vergangenheit als Mitarbeiter zu tun. Bei jedem Gang trifft man Kollegen und in der Kantine saß ich schon am selben Tisch wie vor fünf Jahren. Damals arbeitete ich beim Bauverein und kam mittags regelmäßig hierher. Außerdem finde ich ja ein Dezernat vor, das ich damals mit Pit Schellhaas mitverhandelt habe. Damals sagten wir ja: wir wollen den Schulbau und die Umwelt. Daran hat sich nichts verändert.

Welche Geschichte haben Sie mit dem Kreis?

Von 1994 bis 1998 war ich beim Kreis. Zuerst bei der Bauaufsicht, danach zwei Jahre in der damaligen Abteilung ÖPNV. Seinerzeit war vom Land Hessen gerade der RMV neu gegründet worden und der alte Nahverkehrsverband sollte in die Dadina umgebaut werden. Hierzu habe ich gewissermaßen die Vorarbeit geleistet. Die Leitung hatte ich seinerzeit aber abgelehnt. Stattdessen ging ich zur Bauaufsicht zurück und war für Schwarzbauten im Außenbereich zuständig, davon gab’s damals die meisten in Messel.

Dann folgte eine Station in Darmstadt?

Richtig. Als Stadtplaner hatte ich dort ganz andere Perspektiven und wurde dann Baukoordinator in einer Art Stabsfunktion. Dabei konnte ich mir eine gute Kenntnis der Stadt und ihrer Strukturen aneignen. Später wechselte ich als Projektentwickler zur Bauverein AG. Die ist als städtische Wohnungsbaugesellschaft eine 100%ige Tochter von der Wissenschaftsstadt Darmstadt und hatte Konversionsflächen im Fokus.

Waren Sie schon immer grün?

Ein Grüner der ersten Stunde, ja. Schon als Schüler war ich bei der Initiative Umweltschutz Groß-Bieberau, das waren die Vorgänger der Grünen. Ich habe ja in Darmstadt Architektur studiert, bin dann nach dem Vordiplom zu den Grünen gestoßen und 1986 eingetreten. Bei der ersten Landtagswahl der Grünen habe ich Plakate in Groß-Bieberau gestellt. Meine Eltern waren beide FDP’ler, aber sie haben’s verkraftet und das Verhältnis hat sich auch wieder gebessert (lacht).

War für Sie die Kreisebene eine bewusste Wahl?

Die kommunale Ebene war für mich die naheliegende. Dort konnte ich mich einklinken in die Stadtplanung und die Verkehrsdiskussionen der Grünen. Das war zunächst in Darmstadt. Später in Roßdorf wurde ich Mitte der 90er gefragt, ob ich auf die Liste gehe. Kurz darauf saß ich in der Gemeindevertretung. Zu den Bürgermeisterwahlen habe ich dann alle möglichen Leute gefragt, ob sie für die Grünen kandidieren wollen. Da niemand antreten wollte, hab ich’s am Ende selbst gemacht. Das war ein Impro-Wahlkampf mit selbst gemalten Plakaten. Ich ging auf Events und gab dem Echo spontane Interviews. Das war alles kommunal und naheliegend. Wiesbaden – also auf Landesebene aktiv zu werden – hätte ich zeitlich nicht geschafft.

Sind sie auch Frühaufsteher wie ihr Vorgänger?

Nein. Bin ich nicht, ich wohne ja ganz in der Nähe. Durch den Heimvorteil habe ich’s leichter, wenn ich mal verschlafen sollte. Bisher konnte ich durchs Küchenfenster daheim schon am frühen Morgen das Licht im Landratsamt brennen sehen, wenn ich gerade meinen Kaffee gemacht habe. Da habe ich gewusst: der Christel arbeitet schon. Seit letzter Woche schaue ich morgens zur Kreisverwaltung und sehe, dass es dort noch dunkel ist. Mist, denke ich dann, der Christel ist nicht mehr da, dann muss ich wohl rübergehen.

Wo möchten Sie Ihre Schwerpunkte setzen?

Das Da-Di-Werk ist nach vielen Jahren der Entwicklung eine schlagkräftige Organisation mit guter Ausstattung. Die Hauptaufgaben aus dem ersten Sanierungsprogramm für Schulen wurden schon erledigt, jetzt müssen die Baustellen abgearbeitet werden, die schon lange warten. Ein neuer Brennpunkt liegt sicher im Verkehr, da will ich mit vorbereiten. In diesem Bereich liegen die gesellschaftlichen Interessen sehr unterschiedlich. Auch die Finanzierbarkeit ist äußerst schwierig, denn es fehlt ja nicht an guter Fachplanung oder genialen Ideen. Als Landkreis glaubt man konstant, über zu wenig Stellschrauben für den ÖPNV zu verfügen. Wir müssen aber anfangen, uns in Bereiche reinzudenken, die wir bisher nicht mitgedacht haben. Bisher haben wir neue Busse und Schülerbeförderung auf dem Schirm gehabt. Nun müssen wir den Blick weiten. Hier kommen wir stärker in die Verantwortung, denn die Gesellschaft befindet sich im Umbruch.

Sind Sie Fan der Seilbahn?

Nö. Aber ist die Diskussion trotzdem wichtig? Ja! Die Stärke einer Seilbahn liegt in Sondersituationen – bei Bergen, Flüssen oder Favelas. Bei einer Kosten-Nutzungsrechnung verliert sie vermutlich gegen die Straßenbahn. Dumm ist nur, dass auch die Straßenbahn die erforderlichen Werte nicht erreicht. Die Frage ist: wird sich das Land Hessen an einer Finanzierung beteiligen? Es ist gut, dass in die Diskussion jetzt Bewegung kommt.

Sie erwähnten den gesellschaftlichen Umbruch. Sind Sie Fan von Greta Thunberg?

Ich finde die Frau genial, und toll, dass so viele Menschen von ihr beeindruckt sind. CO2 muss man teurer machen, wenn es uns schädigt und wir müssen das im Kreis auf den uns anvertrauten Ebenen umsetzen und CO2-Minderungsstrategien prüfen. Wann gehen wir beim Neubau exklusiv zum Passivhausstandard über? Auch leere Busse in den späten Abendstunden sind sicher doof, aber ein regelmäßiger Takt muss sein, wenn ich Leute davon überzeugen will, dass sie kein Auto mehr brauchen. Diese Zielkonflikte muss man diskutieren. Ich erwarte, dass wir in den nächsten Jahren immer härtere Auseinandersetzungen um Einzelentscheidungen bekommen. Der Verkehrsbereich ist hierbei einfach besonders exemplarisch.

Wie verstehen Sie ihre politische Rolle?

Neben dem ÖPNV, den Schulen und Sporthallen will ich auch andere Herausforderungen begleiten, wie z.B. die Einführung digitaler Verfahren bei der Bauaufsicht. Insgesamt möchte ich möglichst viel Kommunikation betreiben und die Bögen zwischen Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit hinbekommen. Dabei müssen viele Informationen zuerst sortiert, aufbereitet und schließlich den Kreistagsabgeordneten und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Wie sieht’s mit einem Ausgleich im Privatleben aus?

Ich singe im Kletterer-Chor des Alpenvereins. Im Kletterzentrum auf der Lichtwiese gibt’s einen Proberaum. Wir sind so 20 bis 25 Leute und haben uns damals in Heubach im Steinbruch zusammengetan. Ich klettere auch selbst, bin aber in letzter Zeit weniger in der Wand – früher allerdings viel in der fränkischen Schweiz. Außerdem singe ich noch in einem Acapella Quartett. Das ist ein guter Ausgleich.

 

Vielen Dank für das Gespräch!