Kinder auf der Jagd nach dem Kribbeln

„Einstein, Mozart & Co. – Wie die Entwicklung unserer Kinder gut gelingen kann.“

10 Jahre Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Ober-Ramstadt – Anlass für die Mitarbeiterinnen sich der Frage zu stellen: was brauchen Kinder unserer Zeit für eine gelingende Entwicklung? Hilfreiche Anregungen dazu gab der renommierte Kindheitsexperte Dr. Renz-Polster im Rahmen des diesjährigen Fachforums den rund 100 Eltern und Fachkräften, die sich am 28. Mai 2019 im Scheunensaal der Stadt Ober-Ramstadt versammelt hatten.

„Du bist okay“, „Du bist bei mir in Sicherheit“ und „Du bist bei mir zu Hause“ – Grundsätze, welche Eltern ihren Kindern in der Beziehungsgestaltung immer wieder deutlich machen sollen. Aus dieser Sicherheit heraus können die Kinder Kraft schöpfen, die Welt zu erkunden und sich in ihr wirksam zu fühlen. Nach dem bekannten Buchautor müssen sich Kinder selbst bewähren dürfen- die Kindheit heutzutage verlaufe jedoch für viele Kinder überwiegend hochreguliert - vom Tennisverein über die Musik-Frühförderung bis hin zum Kinderyoga-Kurs. Dr. Renz-Polster merkte an, dass so ein vorbereitetes Leben den Kindern die Chance nimmt, sich auf das Unvorhergesehene vorzubereiten.

Kinder sind auf der Jagd nach ihrer „Zone der proximalen Entwicklung“, einfacher gesagt – nach dem „Kribbeln“. Nach der Lust und gleichzeitig ein wenig nach der Angst jetzt gleich von einem Ast herunterzuspringen, der eigentlich ein wenig zu hoch ist. Oder doch nicht? Das muss ausprobiert werden!

Eltern fungieren auf diesem Weg der Selbstbewährung ihrer Kinder als Begleiter und als Quelle der Sicherheit, denn kribbelt es einmal doch etwas zu stark und ist der Ast doch etwas zu hoch, brauchen sie eine verlässliche Kraft, welche die Angst nimmt und den Mut zuspricht, es wieder zu versuchen. So lernen sie ihre eigenen Gefühle kennen und verarbeiten. Sie entwickeln Kreativität, innere Stärke und lernen, sich in andere hineinzuversetzen und mit diesen sozial zu interagieren. Kinder bringen sämtliche Situationen in ihr Spiel mit ein, welche sie zurzeit beschäftigen. Im allseits bekannten Vater-Mutter-Kind-Spiel nehmen Kinder erstmals die Rolle einer ihnen nahestehenden Person ein, und üben so einen Perspektivenwechsel – der Ursprung der Empathie. Es ist also nicht nur ein Spiel, es ist ebenso soziales Lernen. Im Alltag können Eltern diesen Drang nach Spielen, Lernen und Mitgestalten unterstützen, in dem sie das Kind bei normalen Tätigkeiten miteinbeziehen – Sie brauchen doch ganz dringend einen Helfer, der beim Blumengießen oder beim Verzieren der Torte an ihrer Seite ist, oder nicht? Die für Erwachsene alltäglichen Routinearbeiten sind für Kinder stets neu und aufregend und bieten ihnen tolle Gelegenheiten, sich gesehen, gebraucht und selbstwirksam zu fühlen.