„Tierschutz ist Zeit, Geld und Durchsetzungsvermögen.“
Seit April 2023 ist Dr. Christa Wilczek die Kreistierschutzbeauftragte des LaDaDi. Diese Stelle wurde erstmals in einer kommunalen Behörde in Hessen eingerichtet und setzt ein starkes Signal. Die Bereiche Tierschutz und Tierwohl werden damit klar aufgewertet und erhalten eine größere Wertschätzung.
SW: Tierärztin – das klingt nach einem wahr gewordenen Kindheitstraum…
Tatsächlich war die Affinität früh da. Allerdings wollte ich nach dem Abitur zunächst Wanderschäferin werden, Hütehunde ausbilden und mit den Herden durchs Land ziehen. Ich hatte sogar schon eine Lehrstelle, aber dann wurde mein Meister leider sehr krank. Als ich dann die Zusage für das Tiermedizin-Studium bekam, entschied ich mich gleich für die Universität.
SW: Wie erklären Sie einem Bekannten ihre ehemalige Tätigkeit als Amtstierärztin im Veterinäramt?
Im Veterinäramt gibt es drei Säulen: Die Lebensmittel- und Fleischhygieneüberwachung, also den Verbraucherschutz, die Tiergesundheit oder Tierseuchenbekämpfung und den Tierschutz. Im Tierschutz lag und liegt stets mein Schwerpunkt. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion von privaten und gewerbsmäßigen Tierhaltungen ist hierbei gesetzlich vorgeschrieben. Tierschutz kostet vor allem Zeit, Geld und Durchsetzungsvermögen. Häufig befindet man sich in einem Spagat: Zu langsam für die Tierschützer und zu forsch für die Tierhalter.
SW: Welche Trends zeichnen sich dort in den letzten Jahren ab?
Illegaler Tierhandel, sog. Qualzuchten, der Einsatz von Tieren in unterschiedlichen sozialen Bereichen und die Haltung exotischer Tierarten nehmen zu. Bei Bedarf werden wir in unserer Tätigkeit von externen Sachverständigen unterstützt.
SW: Kam es schon zu gefährlichen Situationen mit diesen Exoten?
Nein. Aktuell fand jedoch eine Fortbildung zum „Umgang mit Gefahrtieren“ statt. Zu diesen Gefahrtieren zählen beispielsweise auch Kamele, Schafe, Schweine und Hunde. Gefährlich wurde es bisher nur mit Tierhaltern, nicht mit den Tieren. Wir erleben dieselben Aggressionen, wie sie auch Polizei und Einsatzkräften begegnen: von der Spuck-Attacke über Morddrohungen bis zu verbalen und körperlichen Übergriffen.
„Wo es Tieren nicht gut geht, geht es meist auch den Haltern nicht gut.“
SW: Das klingt nicht nur emotional sehr belastend.
Ja, das stimmt. Teilweise nimmt das Veterinäramt die Termine auch nur in Begleitung von Ordnungskräften, der Polizei oder dem sozialem Dienst wahr. Aber man darf nicht vergessen: Wo es Tieren nicht gut geht, geht es meist auch den Haltern nicht gut, sei es aus finanziellen und/oder gesundheitlichen Gründen. Auch Unwissenheit über eine tierschutzgerechte Haltung spielt eine große Rolle. Das Phänomen des Animal Hoardings, also der Tiersammelsucht als Krankheitsbild, wurde erstmals 2008 in den Veterinärämtern thematisiert.
SW: Ihre neue Position als Kreistierschutzbeauftrage ist landesweit einzigartig. Wo liegen darin die Chancen?
Wir bieten der Bevölkerung damit eine Anlaufstelle über das Veterinäramt hinaus. Außerdem gründen wir gerade einen Beirat mit fachkundigen Vertretern verschiedenster Institutionen, um Sorgen und Probleme rund um den Tierschutz zu erörtern und Lösungen zu finden. Dies betrifft sowohl den Heimtier- als auch den Jagd- und Nutztierbereich. In einem gegenseitigen sachlichen Austausch sollen Tierschutz und Tierwohl weiterentwickelt und verbessert werden. Denn bereits im Jahr 2002 wurde der Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen und zum Staatsziel erklärt.
SW: Liegen die Positionen beim Thema Tierschutz denn so weit voneinander entfernt?
Das Thema ist sehr oft emotional besetzt und vor allem das Thema Nutztierhaltung ist sehr komplex. Da gibt es zum Beispiel verschiedene Interessenskonflikte zwischen den Landwirten und dem gesellschaftlichen Mainstream.
SW: Könnten das zukünftige Aufgabengebiete sein? Wo möchten Sie Schwerpunkte setzen?
Um Tiere nachhaltig zu schützen, ist Wissen erforderlich.Gerne möchte ich auch für Kindergärten und Schulen eine Anlaufstelle sein. In der Vergangenheit haben wir uns Tiere nach menschlicher Ästhetik zurechtgeschnitten oder sie im Zuge der Industrialisierung in Haltungssysteme eingepasst. Das Tierschutzgesetz betont jedoch die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf. Das Leben und das Wohlbefinden von Tieren sind zu schützen; in diesem Zusammenhang ist auch die Unversehrtheit von Tieren zu beachten. Viele Haltungsverbesserungen sind bereits mit geringem Aufwand zu erreichen – mein Ziel ist es, auch für problematische Tierschutzbereiche Lösungen umzusetzen. Auf juristischer Seite, bei Richtern und Staatsanwälten, sind Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und Tierquälerei angemessen und möglichst zeitnah zu ahnden.
SW: Wenn Sie sich beim LaDaDi etwas wünschen könntest, was wäre das?
Mehr gegenseitiges Verständnis und das Verhindern von Tierleid. Wir alle sollten den eigenen Umgang mit Tieren kritisch hinterfragen und auf die Bedürfnisse von Tieren achten – dazu gehört auch, Tiere nicht zu vermenschlichen, sie aber auch nicht zu überfordern und sie zur „Ware“ oder als „Sportgerät“ zu degradieren.
SW: Wie gelingt der Ausgleich zum Job?
Ich bin viel mit meinem Hund unterwegs und fotografiere gerne in der Natur. Mit meinem E-Bike lerne ich auch den Odenwald immer besser kennen.
Das Interview mit Frau Dr. Wilczek führte Stefan Weber (SW) im Oktober 2023.