Wurzelwerk wird zum Maskenwerk

Im Wurzelwerk in Groß-Umstadt rattern die Nähmaschinen. Hier werden Masken im Schichtbetrieb hergestellt. Das ist großartig und die vorläufige Zwischenbilanz einer Erfolgsgeschichte über Migration, Engagement und Initiative.

Und die beginnt so: Als der Ruf nach Mund-Nasen-Masken noch leise war, der Bedarf im Gesundheits- und Pflegebereich aber schon dringend, gründete Sandra Severino kurzerhand eine ehrenamtliche Nähinitiative in Form einer Facebook-Gruppe. „Zu Beginn hatten wir einen festen Stamm von 10 bis 20 Näherinnen“, erzählt die Groß-Umstädterin. Spendeten manche davon 10 Masken alle 2 Wochen, arbeiteten andere regelrecht im Akkord. „Völlig gleich, wieviel gegeben wird, jede Maske zählt!“ sagt Severino.

Frank Sudhoff, Gründungsmitglied der Umstädter Migrantenselbstorganisation „MInZe“, und Marie-Luise Sudhoff verbanden die Fähigkeiten Zugewanderter im Schneiderhandwerk mit der Hilfsidee der Initiative und ebneten den Weg vom Wurzel- zum Maskenwerk. Das Gästezimmer der Initiatorin Severino war als Lager zu klein geworden und auf Vorschlag der Sudhofs (und der Vermittlung durch Bürgermeister Joachim Ruppert) hat der Landkreis dem Projekt eine Halle der ehemaligen Bildungsstätte kostenfrei zur Verfügung gestellt. „Wir haben uns an die Nähgruppe angedockt und wollten helfen, die Initiative auf größere Beine zu stellen“, erzählt Frank Sudhoff.

Ein Spenden-Aufruf von Landrat Klaus Peter Schellhaas trug entscheidend dazu bei, dass mittlerweile 20 Nähmaschinen vor Ort sind: „Es ist unglaublich, wie groß die Hilfsbereitschaft in dieser Zeit ist. Ich hätte nicht geglaubt, dass es so viele Menschen gibt, die uns Nähmaschinen spenden, damit im Wurzelwerk in Groß-Umstadt Masken genäht werden können“, sagt Schellhaas. „Es ist sehr schön zu wissen, dass der LaDaDi auch in dieser schweren Zeit zusammenhält.“

Tatsächlich haben einige der versiertesten Näherinnen und Näher mit den Fluchtbewegungen 2015/16 ihren Weg in den #LaDaDi gefunden - einige bringen eine fundierte Ausbildung als Schneider mit.

„Als wir damals ankamen, wurde uns schnell und unbürokratisch geholfen“, betont Jawad Ahmad Rafiq. „In dieser Zeit nutzen viele die Chance, etwas zurückzugeben.“ Rafiq kam aus Afghanistan und macht mittlerweile eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement beim Landkreis Darmstadt-Dieburg. Die Stadt Groß-Umstadt ist Verbundpartner. Er ist ebenfalls Gründungsmitglied von MInZe und einer von ca. 15 Freiwilligen rund um den Verein in Gründung, die im Maskenwerk im Schicht-Betrieb arbeiten.

Die Initiative erfährt vermittelnde Begleitung durch Benjamin Magsam, den rührigen Migrationsbeauftragten Groß-Umstadts. Der liefert wertvolle Vernetzungsarbeit zwischen Freiwilligen, Stadt, Kreis, Land, Vereinen, Sponsoren, Umstädter Ehrenamtsagentur und der Bürgerstiftung Groß-Umstadt. Für ihn ist das Projekt ein „gemeinsames Bürgerengagement von Menschen mit und ohne Fluchterfahrung“. Magsam betont: „Es ist beachtlich, wie das scheinbare Problemthema Migration in einem gesamtgesellschaftlichen Thema aufgegangen ist – solidarisches Miteinander zum Nutzen aller!“

Die Nachfrage nach den Masken ist groß. Gut 2.000 sind mittlerweile gefertigt: Zunächst vorzugsweise für Menschen im Pflegeberuf, Hebammen, Therapeuten, Ärzte, Verkäuferinnen, Postboten, Feuerwehrleute und Rettungshelfer. Der Zusammenschluss von MInZe und Nähgruppe ermöglicht nun die kostenfreie Abgabe an alle interessierten Organisationen und Privatpersonen – auch über das Sozialamt Groß-Umstadt.

Eine der ersten Chargen ist für die Ganztagsbetreuung an den Schulen im Landkreis bestimmt und wurde kürzlich von Dr. Margarete Sauer in Empfang genommen. „Durch die Masken schützen wir Kinder und Betreuungskräfte und sorgen für etwas zusätzliche Bewegungsfreiheit nach dem Unterricht“, sagt Sauer. Die ehrenamtliche Kreisbeigeordnete koordiniert derzeit auch die Kindernotbetreuung der Kleinsten.

Die gemeinnützige Initiative gibt ihre Masken kostenfrei weiter. Ein Anspruch besteht nicht - die Freiwilligen produzieren so viel sie können und das gerne! Bei der Abholung steht eine Spendenbox bereit. Die Erträge gehen an soziale Zwecke und Einrichtungen. Weitere Spendenangebote (z.B. Stoffe oder Gummibänder, helfende Hände) sowie Anfragen zu Masken sind möglich über maskeninitiative-umstadt@web.de oder direkt vor Ort, in der Georg-August-Zinn-Str. 103, zu folgenden Zeiten:

Montag: 14-16 Uhr

Mittwoch: 10-12 Uhr

Freitag: 14-16 Uhr

Samstag: 11-13 Uhr